„Gesprächsöffner zur Demokratie“

Getreu dem Motto „Demokratie beginnt früh“ fand jetzt bewusst vor der Bundestagswahl in Weinheim die bundesweite U18-Wahl statt – ein Projekt unter der Federführung des Stadtjugendring Weinheim e.V., das vor allem darauf abzielt, junge Menschen für das Thema Wahlen und Demokratie zu begeistern.
Jugendsozialarbeiter Nico Gaber, der vor Ort die Wahl betreute, betonten dabei: „Die Ergebnisse sind nicht das Wichtigste, es kommt uns auf den Prozess an, nämlich junge Menschen überhaupt in Kontakt zum Thema Wahlen und Demokratie zu bringen.“ So sei klar festzuhalten, dass die U18-Wahlen ganz sicher nicht repräsentativ sind.
Nico Gaber und Stadtjugendring-Geschäftsführer Martin Wetzel betonten, dass die verkürzte Laufzeit der vorgezogenen und ungeplanten Bundestagswahl eine besondere Herausforderung darstellte. Seit 1996 findet dieses Jugendbildungsformat statt, und Martin Wetzel, der seit Beginn U18- und U16-Wahlen durchführt, betonte, dass das Entscheidende ist, dieses bunte und populäre Format als Einstiegshilfe in Thema zu sehen. „Die U18 Wahl ist quasi der Gesprächsöffner zum Thema Demokratie und Wahlen, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und hat keinerlei repräsentative Aussage.“
Gespräche und Impulse
Die U18-Wahlen finden nämlich zehn Tage vor der eigentlichen Wahl stattfinden. Aufgrund deren Vorverlegung von September in den Februar gab es weniger Zeit, für das Angebot zu werben und so die jungen Besucher umfassend zu informieren und zur Teilnahme zu motivieren. Trotz dieser zeitlichen Einschränkung konnten in den Einrichtungen des Stadtjugendring bei intensiven Gesprächen und Informationsrunden erste Impulse gesetzt und Diskussionen anstoßen werden. Besonders auffällig war, dass viele der westlich orientierten Besuchenden erstmalig mit dem Thema Wahlbeteiligung konfrontiert wurden und sich oftmals als „nicht wahlfähig“ einschätzten. Inhaltlich konnten die jungen Menschen sich über einen Auszug der verschiedenen Wahlprogramme und einer bundesweiten Synopse informieren. Aber auch über die Art des Wählens, die Zusammensetzung des Parlamentes und andere Basics unserer Demokratie wurde informiert. Die Wahlzettel aus dem Wahlkreis Weinheim lagen auf und eine Wahlurne sorgte für die passende Wahllokalstimmung.
Kulturelle Einstellungen „haram“
Ein weiterer spannender Aspekt der Veranstaltung war die kulturelle Unterschiedlichkeit und Einstellung zur Wahl. So wurde an einer Stelle „Wählen“ von zwei Besuchenden als „haram“ bezeichnet. Zur Klärung: „haram“ ist ein arabischer Begriff, der im islamischen Kontext „verboten“ bedeutet. Er beschreibt Handlungen oder Verhaltensweisen, die gemäß islamischem Recht als unzulässig gelten. „Diese Aussage spiegelt wider, wie tief religiöse und kulturelle Überzeugungen in den Alltag eingreifen und das politische Engagement beeinflussen können“, beschreibt Wetzel. Solche kontroversen Ansichten böten allerdings eine wertvolle Gelegenheit, im Gespräch zu erläutern, welche Bedeutung und welchen Stellenwert demokratische Prozesse in einer pluralistischen Gesellschaft haben, so der Geschäftsführer.
Die U18-Wahl in Weinheim habe gezeigt, dass es gelingen kann, junge Menschen in den demokratischen Diskurs einzubinden – auch wenn sie sich zunächst als „nicht wahlfähig“ empfinden oder kulturell unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Dieses Projekt mache deutlich, so Gaber und Wetzel: Der Wert liegt im Lernprozess und im Dialog. Es gehe darum, den Jugendlichen einen Zugang zu ermöglichen, der sie langfristig zu aktiven und informierten Bürgerinnen und Bürgern macht. Gaber: „Abschließend lässt sich sagen, dass diese Wahl ein wichtiger Schritt war, um junge Menschen an die Grundlagen unserer Demokratie heranzuführen.“ Die Organisatoren zeigten sich überzeugt, dass der gelebte Prozess – das Sprechen, Diskutieren und Verstehen von demokratischen Abläufen – den Grundstein für zukünftiges politisches Engagement legt. Die U18-Wahl in Weinheim bleibe seit 2016 somit, ein innovatives Beispiel dafür, wie politische Bildung frühzeitig und praxisnah gestaltet werden kann.
(Erstellt am 21. Februar 2025)